Kenya Juni 1990, endlich in Afrika

Wir sind in Kenya.

Mehr als ein Jahr hatten wir (Petra, 26 und Jörg, 26) uns auf diese Reise vorbereitet, eine Pauschalreise, die aber keine normale Pauschalreise bleiben sollte. Gebucht hatten wir einen dreiwöchigen Urlaub im Sea Horse Hotel (**) in Kilifi beim ASC (African Safari Club). Bestätigt wurde uns ein drei Wochen Urlaub im Watamu Hotel (***) in Watamu (zum selben Preis). Gerne hätten wir unseren Urlaub im abgelegenen Sea Horse begonnen, allerdings kam uns das nördlichste Hotel des ASC im nachhinein sehr gelegen. Watamu erwies sich als eine traumhaft ruhige Ecke Kenyas.

Mit dem Zug reisten wir über Hannover bis nach Frankfurt. Von dort erreichten wir mit einem Nachtflug Mombasa. Als wir das Flugzeug verließen, schlug uns feuchte schwüle Hitze entgegen, es war 08.00 Uhr morgens. Ich war aufgeregt. Schon als kleiner Junge hatte ich von Afrika geträumt, nun mit 26 Jahren sollten meine Träume wahr werden. Immer wieder hatten wir über eine solche Reise gesprochen, immer wieder fehlte das Geld und die Verbindungen, denn von einer Safari (Reise) in Afrika hatte ich meine eigenen Vorstellungen. Irgendwann lernten wir mit Karsten und Christiane Freunde kennen, die sich schon seit Jahren in Kenya auskannten und nebenbei auch noch eine kleine Reisevermittlung betreiben. Sie sorgten für die nötigen Informationen, Kartenmaterial und halfen bei der Anmietung eines Leihwagens. Gleichzeitig hatte ich eine Kontaktadresse von einem Chef Ranger aus dem Tsavo West National Park über einen anderen Bekannten bekommen.

Jetzt in Kenia hatten wir aber erst einmal den ersten Kontakt mit "pole pole" (langsam, langsam). Nachdem wir als letzte in einer Schlange beim Passport Check abgefertigt worden waren, standen wir dann beim Zoll. In aller Ruhe fertigte ein einziger Zöllner die Reisenden ab. (warum nur einer?)
Dann sammelten wir unsere Gepäckstücke ein. Eine große Zargesbox, eine kleine Zargesbox (Metallboxen) und einen Seesack, als Handgepäck hatten wir einen Tagesrucksack, eine Videotasche, eine Fototasche und unser Zelt. (15 kg Übergepäck, schon bei der Anreise!)

Nach einer Stunde passierten wir endlich den Zoll. Durchgeschwitzt konnten wir das Flughafengebäude verlassen und einen Bus vom ASC besteigen, der uns nach Watamu bringen sollte. Ca. 20 Touristen waren wir, die meisten etwas genervt vom ungewohnt langsamen Lebensrhythmus der Afrikaner. Petra und ich quetschten uns ganz hinten in den kleinen Bus und sahen zu, wie unser Gepäck auf das Wagendach verladen wurde. Irgendwann war alles verstaut und wir fuhren los, vorbei an Müll, unendlich viel Müll, mittendrin Menschen, Ziegen, Hühner. Ärmliche Bretterbuden standen am Straßenrand, alles mögliche für den Alltag wurde zum Verkauf angeboten. Menschen wuselten überall zwischen den Buden, auf der Straße, viele mit zerrissener europäischer Kleidung aber auch viele Frauen nur mit Kangas (Tüchern) bekleidet. Ich merkte wie einige im Bus erschrocken auf diese ersten Eindrücke reagierten. Petra und ich sahen eher neugierig aus dem Bus, Karsten hatte uns auf diesen Anblick vorbereitet. In Mombasa wurde das Gedränge auf der Straße noch dichter, Kinder in Lumpen, Frauen in Kangas, Männer mit weitem moslemischen Umhängen und immer wieder wild hupende Matatus (Sammeltaxis, meist Nissan Kleinbusse). Wir ließen die pulsierende Stadt hinter uns, überquerten zwei Brücken von denen man jeweils eine herrliche Aussicht in einen Creek (Bucht, Mombasa ist eine Insel) hatte und fuhren dann weiter die Nordküste hinauf.

Petra konnte sich nicht mehr gegen die Müdigkeit wehren und winkte erschöpft ab, wenn ich ihr wieder irgend etwas zeigen wollte. Ich starrte gebannt aus dem Fenster, alles sog ich in mich auf, Menschen, Tiere und Landschaft.


Üppiges Grün soweit das Auge reichte, Bananenbäume, Kokospalmen, Sisalpflanzen und viele Pflanzen, die ich nicht identifizieren konnte. Dazwischen bunt gekleidete Frauen mit gelben Wasserkanistern auf dem Kopf, Kinder mit Feuerholz auf dem Rücken und Männer mit schweren überladenen Holzkarren. Ziegen und bucklige Zebu-Rinder grasten am Straßenrand. Affen huschten über die Straße, bunte Vögel saßen in den Bäumen. Ich konnte es nicht mehr abwarten auszusteigen, ich konnte es nicht mehr abwarten, mehr von diesem Land zu sehen, ich wollte es fühlen, es schmecken.

In Kilifi setzten wir mit einer Fähre über den Kilifi Creek, dann ging es weiter, Hitze und Schlaglöcher. Immer wenn wir langsam fuhren, streckten sich uns Kinderhände entgegen. "One Schilling, One Schilling". Alte Frauen sahen uns mürrisch an, junge Männer winkten uns freundlich zu. Ich wollte endlich aus diesem verdammten Touristenbus.

Nach zweieinhalb Stunden war es dann soweit wir erreichten das Watamu Hotel im gleichnamigen Ort. Mit einem freundlichem "Jambo" und einem kühlen fruchtigen Drink wurden wir empfangen, dann huschten drei Einheimische herbei und schleppten mit angestrengter Mine, was ich bisher alleine getragen hatte. Wir bezogen unser Zimmer. Ein großes Doppelbett mit einem Moskitonetz in der Mitte des Raumes, darüber ein Ventilator, ein Wandschrank und eine Bank fürs Gepäck. An den Wänden kleine Schnitzereien, dazu ein zweckmäßiges Badezimmer mit Dusche und Toilette. Vor unserem Zimmer eine eigene Terrasse, vor der eine Palme stand. Ein kleines Paradies. Wir waren mehr als zufrieden.

Den Rest des ersten Tages in Afrika verbrachten wir in der wunderschönen Anlage des Watamu Hotels, Petra sonnte sich am Strand und ich schnorchelte im Indischen Ozean. Bereits am 2. Tag begann ich die Anlage und die nähere Umgebung nach Reptilien abzusuchen. (In Deutschland züchte ich Riesenschlangen und der Hauptgrund für diese Reise war das Beobachten von frei lebenden Reptilien). Mehrere Echsenarten spürte ich auf und machte erste Fotos und Videoaufnahmen.

Am Morgen des dritten Tages fanden wir am Strand eine Menschentraube vor, aufgeregt redeten alle durcheinander, Hunde bellten. Wir drängelten uns bis in die Mitte der Menschenmenge. Zwei Hunde attackierten einen jungen etwa 90 cm langen Kapwaran. Ich ging dazwischen, verjagte die Hunde (eigentlich habe ich Angst vor Hunden) und ergriff nach mehreren Versuchen den Waran. Die Menge juchzt, ein Askari (Hotelwächter) weist mich darauf hin, dass das Tier gefährlich und giftig sei. Natürlich ist ein Waran nicht giftig, gleichwohl muss man auf seine Schwanzschläge achten und nicht unbedingt zwischen die scharfen Zähne kommen. Nachdem auch der Askari wieder beruhigt worden war, verfrachtete ich den Waran erst einmal in unser Zimmer und sperrte ihn ins Badezimmer. Später filmten und fotografierten wir ihn und setzten ihn dann im nahen Busch wieder aus.
, Kapwaran, Varanus albigularis  Monitor Lizard

Die Tat führte dazu, dass mich nun an diesem kleinen Strandabschnitt, es gab nur dieses Hotel und den daneben liegenden Ort, fast jeder kannte. Als mich nun an einem Nachmittag ein älterer nur mit Kikoi (Tuch, welches um die Hüften getragen wird) bekleideter Einheimischer auf den Waran ansprach, nahm ich die Gelegenheit war und fragte ihn, ob er mich durch den Busch führen und mit mir Schlangen und Chamäleons suchen könnte. Natürlich konnte er. Als Preis handelten wir 60 KSH und eine bunte Armbanduhr (eigens für solche Zwecke mitgenommen) aus.

Es war reichlich naiv von mir zu glauben, dass sich jeder Afrikaner mit Schlangen im Busch auskenne oder sich gewand wie eine Katze durch die Natur bewegt. Ich hatte den Eindruck, mein Führer hatte gar nicht die Absicht, irgend eine Schlange zu entdecken, immer wieder musste ich ihn an den Sinn unserer Exkursion erinnern. Zum Schluss fing ich an, ihm Prämien von je 100,-KSH pro gefundenem Reptil zu bieten. Vergeblich, mein Scout führte mich durch den nahen Busch ohne etwas zu sehen und nur mit Glück entdeckte ich ein über die Piste laufendes Lappenchamäleon. Entsetzt beobachtete mein Begleiter, dass ich das Tier anfasste, auf einen Ast setzte und einige Bilder machte. "They are not dangerous?" fragte er ungläubig. Ich war mir nun sicher, irgendwie hatte ich den falschen Führer angeheuert.

An einem der Abende, die wir immer im Hotel verbrachten, fand eine Schlangenshow statt. Natürlich musste ich diese sehen und lernte auf diese Weise James Ashe kennen (Eine Begegnung, die eine lange Freundschaft nach sich zog). Ashe hat eine eigene Schlangenfarm in Watamu und gilt als anerkannte Kapazität in Sachen Schlangen. Viele Bücher über Giftschlangen (speziell Buschvipern) beziehen sich auf seine Untersuchungen.

Am 4. Tag unserer Reise war es dann soweit. Ich holte unseren Leihwagen, einen Suzuki Samurai, aus Nairobi ab. Mit dem Bus fuhr ich um 5.45 Uhr nach Mombasa, dort von der Busstation mit einem Taxi bis zum Castle Hotel, von dort war es zu Fuß nur noch ein kleines Stück bis zum Büro von Glory Care Hire. Unterwegs genoss ich es, der einzige Weiße im Bus zu sein und hatte irgendwie das Gefühl ein Abenteuer zu bestehen. (so`n Quatsch)
Die Kontakte zu Glory hatte ich von Deutschland aus schon hergestellt und war erstaunt, wie reibungslos alles ablief.

Da saß ich nun und hatte ein Auto in Afrika. Natürlich hupte mich erst einmal jeder an, als ich losfuhr. Nicht um mich als neuen Teilnehmer im Straßenverkehr zu begrüßen, sondern weil ich verkehrt herum in eine Einbahnstraße fuhr. Danach hatte ich Schwierigkeiten, mich in den Linksverkehr einzuordnen. Aber dann hatte ich den Bogen raus, einzig abbiegen und links herum in einen Kreisel einfahren, waren noch etwas ungewohnt. Als ich die knapp 100 km bis Watamu zurückgelegt hatte, fühlte ich mich in Kenyas Linksverkehr sicher.

Am Nachmittag unternahmen wir mit Bekannten einen Ausflug nach Malindi, besichtigten 2 Schlangenfarmen und die Stadt und bereiteten uns abends auf die bevorstehende Safari vor.

Wir hatten uns vorgenommen, 8 Tage im Tsavo National Park zu verbringen. Der Park ist unterteilt in die Bereiche Ost und West, so wussten wir. Mit Hilfe von Büchern, Reiseführern, Videofilmen und Landkarten hatten wir uns auf diese Tour vorbereitet. Unsere komplette spartanische Campingausrüstung hatten wir aus Deutschland mitgebracht. Hierzu zählte ein Iglu-Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, eine große Regenplane und Geschirr.

Am 07.06.90 war es dann soweit, wir brachen auf zu unserer ersten Safari in den kenyanischen Busch. Niemand hatte geahnt, dass diese Tour unser Leben verändern würde. Im Hotel hatten wir noch einmal ordentlich gefrühstückt und dann ging es los. Auf gut ausgebauter Asphaltstraße fuhren wir bis nach Malindi, dort kauften wir noch einige Konserven und überprüften dann den Wagen an einer Tankstelle (zum Glück). Beim Überprüfen des Ölstandes stellte ich fest, dass der Deckel des Öleinfüllstutzen nicht vorhanden war, überall im Motorraum war Öl verspritzt. Das Ende unserer Safari? Nicht doch, "Hakuna matata" (kein Problem). Erst einmal wurde das Loch mit einem Lappen verschlossen, dann fuhr ich eineinhalb Stunden mit einem Mechaniker durch Malindi, um einen passenden Deckel aufzutreiben, vergeblich. Zum Schluss hatte ich die rettende Idee, Glory hat ein Büro in Malindi. Hier ging dann auch alles seinen afrikanischen praktischen Gang. Kurzerhand erhielt ich den Deckel aus einem anderen Leihwagen und war mir sicher, dass in ein paar Tagen wieder ein Mzungu (Weisser) mit einem Leihwagen ohne Oil-Deckel durch Malindi fährt. Was sollīs, mit einer ordentlichen Verspätung fuhren wir von Malindi in Richtung Tsavo Ost, unser Ziel: das Crocodile Camp.

Schon in Malindi verließen wir die befestigte Straße und fuhren auf eine rote staubige Piste. Nur selten kam uns ein anderes Fahrzeug entgegen, Menschen waren allerdings auf den ersten 20 km viele unterwegs. Rechts und links der Piste standen vereinzelt Hütten, wenige aus Stein, die meisten aus Holz und Lehm, einige mit Makuti-Dach andere mit Blechdächern.
Immer wieder kamen uns Frauen entgegen, die die unglaublichsten Dinge auf dem Kopf trugen, Wasserkanister mit mehr als 20 Liter Wasser oder Holzbündel, mit Sicherheit schwerer als sie selber. Da wir alles sehen wollten, die Piste aber löcherig und staubig war, fuhren wir sehr langsam. So kamen immer wieder Kinder hinter unserem Auto hergelaufen, laut rufend und lachend. Nach ca. 50 km hatten wir das Gefühl allein zu sein, allein mit uns und der Natur. Ab und zu sahen wir Paviane vor uns über die Piste laufen. Kleine Antilopen (Dik Dik) sprangen in den Busch.

Gegen 17.00 Uhr erreichten wir das Crocodil Camp, in unserer Karte als Campside notiert. Hier lernte ich nun, dass eine Campside meist eine Lodge mit festen Zelten ist und nicht, wie ich vermutete, ein Zeltplatz für jedermann. Eine Übernachtung in den etwas heruntergekommenen Zelten des Camps sollte uns ca. 100,-US$ pro Person kosten, das war nicht kalkuliert. Also entschlossen wir uns, unser Zelt etwas abseits im Busch aufzuschlagen. Vorher filmten und fotografierten wir noch die an dieser Stelle des Galana Rivers häufigen Nilkrokodile.

Während wir unser Zelt aus dem Auto räumten, näherte sich eine neugierige Gruppe von ca. 20 Pavianen. Bedrohlich nahe kamen die teilweise großen Tiere bis an das Auto. Wir räumten das Zelt wieder ein und beschlossen im Auto zu schlafen. Vorher bereiteten wir unser erstes Lagerfeuer, saßen auf unserer Plane, nutzten eine der Kisten als Tisch und fühlten uns unendlich frei. Schnell war es dunkel geworden und die Stimmen der Nacht rückten näher. Wir krochen in unsere Schlafsäcke, lagen im Auto und lauschten. Irgendwo kicherte eine Hyäne. Während ich erschöpft vom Tag schnell einschlief, lag Petra angespannt lauschend fast die ganze Nacht wach.

Am nächsten Morgen dann Aufbruch ohne Frühstück, frisches Wasser holten wir aus dem Crocodil Camp (aufbereitet mit Micropur). Dann ging es los in Richtung Aruba Lodge. Unterwegs gab es Kekse zu essen. Das Gelände war flach und übersichtlich, vereinzelt standen trockene Büsche herum, dazwischen Akazien. Die Erde war rot und staubig. Da jeder Abzweig genutzt und jeder Pillendreher (Käfer), jede Agame (Echse) gefilmt und fotografiert wurde und wir sogar ein paar Antilopen, Zebras, Warzenschweine und einen Strauss sahen, benötigten wir für die 40 km fast 10 Stunden. Petra holte den verpassten Schlaf nach und bemerkte, als ich sie weckte, um ihr einen Vogel Strauss zu zeigen: "Du kannst mich für einen Elefanten wecken, aber ansonsten....!"(Kann Sie nicht nachts schlafen, wie ich auch?)

Aruba Damm war in meiner Karte als Lodge eingetragen und sollte uns zur Versorgung mit Benzin dienen. Wieder Fehlanzeige, die Lodge wurde schon seit längerer Zeit nicht mehr bewirtschaftet und die meisten Steinbandas (Hütten) machten einen recht unbewohnbaren Eindruck. Einige dieser Hütten wurden von Einheimischen bewohnt, andere besaßen nicht einmal mehr ein Dach. Also wurde wieder improvisiert, wir fragten ob wir unser Zelt aufbauen durften und suchten uns dann einen geeigneten Platz.

Von unserem Lagerplatz hatten wir einen einmaligen Ausblick auf den angestauten See, am Ufer sahen wir einige hundert Wasserbüffel, Thomson Gazellen, Impala Antilopen und Zebras. Als es darum ging, das Essen zuzubereiten, stellten wir fest, dass weder Dosenöffner noch Besteck zu finden waren. (geht ja prima los!) Also öffnete ich die Dosen mit meinem Jagdmesser und gegessen wurde auch mit demselben. Es gab leckere gebackene Bohnen in Tomatensoße. Wieder kochten wir unser Essen über dem offenen Feuer, wieder starrten wir noch eine Weile in die Flammen und genossen unsere Safari. Seit zwei Tagen war uns kein Fahrzeug mehr entgegen gekommen, seit zwei Tagen hatten wir keinen Weißen mehr gesehen. Wir fühlten uns wie im tiefsten Afrika, einfach nur frei. Tierfilme wie "Frei geboren" oder "Out of Afrika" gingen uns durch den Kopf. Afrika hatte mich in seinen Bann gezogen. (Für immer, aber das wusste ich damals noch nicht.)

Unsere erste Nacht im eigenen Zelt in Afrika. Wir lagen in unseren (viel zu warmen) Schlafsäcken und horchten in die Nacht. Ich war zufrieden und schlief schnell ein, Petra schrieb am nächsten Tag in das Tagebuch: ".....Jogi schnarcht und ich habe Angst!" Während ich hier draußen im Busch mein Seelenheil gefunden hatte, betrachtete Petra alles mit eher gemischten Gefühlen, gleichwohl sie das Gesehene genoss. Nur die Nächte bereiteten ihr Kopfzerbrechen.

Um 05.30 Uhr weckte uns Löwengebrüll (Petras Kopfzerbrechen wurde stärker). Wir schreckten beide hoch, lauschten in die Nacht, Ruhe. 06.00 Uhr da war es wieder, Löwengebrüll, jetzt aus einer anderen Richtung und näher. Schnell bauten wir unser Lager ab und brachen auf, wieder ohne Frühstück. Wir suchten die Löwen. Petra fuhr und ich hielt vom Suzukidach aus Ausschau, leider vergeblich. Aber sie waren da, die Spuren von drei großen Katzen hatten wir noch deutlich im Staub der Piste gesehen. Zwei Elefanten im Sumpf des Aruba Damm entschädigen uns für das frühe Aufstehen. Zwar waren sie mitten im Sumpf zu weit entfernt für wirklich gute Aufnahmen, aber es waren unsere ersten Elefanten. Lange standen wir am Rande des Sumpfes, hockten auf dem Dach des Suzuki und erfreuten uns an den Tembos.

Unser nächstes Ziel war die Voi Lodge. Unterwegs dann endlich eines der Tiere, wegen denen wir nach Kenya gekommen waren. Ein Steppenwaran. Erhaben saß das gut 1,50 Meter lange Tier auf einem großen Termitenhügel. Als wir uns mit dem Fahrzeug näherten, verschwand er in dem Hügel. Wir bezogen in ca. 10 Meter Entfernung unter einer Schatten spendenden Akazie Stellung. Ich zog mir Handschuhe an und schlich langsam aus dem Auto. Petra schaute oben aus dem offenen Suzuki und suchte die Umgebung nach anderen Tieren ab. Langsam kroch ich auf allen Vieren an den Termitenhügel heran. (Aussteigen ist in den National Parks sinnvollerweise verboten! Das hier zu Lesende sollte so auf keinen Fall nachgemacht werden.) In ca. 6 Meter Entfernung zum Termitenhügel legte ich mich mit meiner Videokamera flach auf den Boden, die Sonne brannte mir erbarmungslos auf den Rücken, mehr als eine Stunde wartete ich auf den Waran. Endlich steckte das Tier seinen Kopf aus einem der Löcher und kroch dann behutsam wieder auf seinen Aussichtspunkt. Auch ich bewegte mich nun vom Jagdfieber gepackt immer dichter an den Waran heran. Nach ca. 2 Stunden war ich so dicht an das Tier herangekommen, dass ich seinen Schwanz berühren konnte, erst als ich es nicht lassen konnte zuzugreifen, schlug der Steppenwaran mit seinem Schwanz nach mir und verschwand danach im Buschwerk.

Bei unserer nächsten tierischen Begegnung sahen wir uns plötzlich einem jungen Elefanten gegenüber stehen. Nach einer Kurve in sehr buschreichem Gebiet stand urplötzlich in nur 10 Meter Entfernung ein junger roter Tsavo Elefant vor uns. 10 Meter waren ihm wohl entschieden zu dicht, der Dickhäuter spreizte seine Ohren ab und machte zwei bedrohlich Schritte auf uns zu. Schnell fuhr ich weitere 10 Meter rückwärts. Der Jumbo blieb stehen, schüttelte missmutig seinen Kopf, sah uns an und schritt dann weiter in den Busch. Erst danach bemerkten wir, dass wir mehr oder weniger mitten in einer Elefantenherde standen, rechts und links von uns im hohen Busch standen Elefanten. Mindestens 10 Tiere zählten wir. Ein beeindruckendes Erlebnis, die Tembos zu beobachten, wie sie mit ihrem Rüssel Zweige abbrachen und geschickt in ihr Maul steckten. Trotz aller Faszination behielt ich den Fuß immer über dem Gaspedal und war jederzeit zur Flucht bereit. (Das ich nebenbei noch filmte und fotografierte, führte später zu einem Austausch unterschiedlicher Meinungen mit Petra.)

Aber schließlich hatte ich mich mehrere Jahre lang mit dem Verhalten von Wildtieren in der Theorie beschäftigt, nun folgte die Praxis. Als wir die Elefantenherde später unbehelligt verließen, fühlte ich mich bestätigt. Kein Tier greift ohne Grund an (aber was ist ein Grund?). Im Laufe der folgenden Jahre lernte ich das Verhalten speziell von Elefanten immer besser zu deuten und zu verstehen und Flucht- und Angriffsdistanzen einzuschätzen.

Gut vorbereitet hatten wir für unsere Videoausrüstung auch ein Ladekabel mit Zigarettenanzünderanschluss mitgenommen, nur leider hat ein Suzuki Samurai in Kenya keinen Zigarettenanzünder. Kurzerhand bastelte ich eine direkt Verbindung zur Batterie, was dazu führte, dass das Autoladegerät sich qualmend abmeldete. Also blieb uns nichts anderes übrig, als eine Lodge anzufahren, in der es Strom gab. Im Tsavo Ost 1990 nur die Voi Lodge.
Höflich brachten wir an der Rezeption unser Anliegen vor, höflich wies man uns ab. Weder Akkus laden noch in der Nähe Zelten durften wir, nur das dringend benötigte Benzin bekamen wir.

So kam es, dass wir den Tsavo Ost eine Nacht eher als geplant verließen und Richtung Nairobi fuhren, um durch das Tsavo Gate in den Tsavo West zu fahren. Die geplante Versorgung in Voi entfiel mangels geeigneter Einkaufsmöglichkeiten. (Es gab nur eine Tankstelle und einige wenige Hütten und Häuser, sicher auch irgendwo einen Store, aber wir wussten nicht wo.)

Misstrauisch gemacht durch entsprechende Berichte in deutschen Medien war ich mir zwar sicher, das Verhalten von Tieren einschätzen zu können, nicht aber das der Menschen. Aus diesem Grund durchfuhren wir fast jede Siedlung zügig. (Ein Verhalten, was sich natürlich im Laufe der Jahre besserte. Inzwischen wissen wir, dass Kenyaner freundliche und hilfsbereite Menschen sind und wir lieben ihre Heiterkeit.)

Gegen 17.50 erreichten wir den Tsavo West National Park. Das Befahren der Parks ist nur bis 18.30 Uhr gestattet. Um so spät noch in den Park gelassen zu werden, gaben wir an, zur Ngulia Lodge zu wollen und eine Reservierung zu haben. (Unser eigentliches Ziel waren die Ngulia Bandas). Man lässt uns in den Park, gibt uns als Eskorte allerdings einen bewaffneten Ranger mit. Dieser kennt nun aber wenigstens den Weg, so kamen wir zügig voran. Wie immer ging die Sonne schnell unter und wir erlebten einen wundervollen Gamedrive in der Abenddämmerung, sahen Impalas, Zebras, Giraffen, Wasserböcke und Elefanten im Vorbeifahren. Das Gelände des Tsavo West ist im Gegensatz zu dem flachen Gelände des Tsavo Ost sehr zerklüftet und gerade in den Ngulia Bergen war es teilweise wichtig, einen Geländewagen zu haben. Während wir uns auf holpriger steiniger Piste in die Ngulias hinauf arbeiteten, beobachtete ich jeden Winkel der Piste. Plötzlich hatte ich gefunden, was ich erhoffte, eine Puffotter. Ich blieb stehen und stieg mit der Kamera aus dem Suzuki. Etwas entsetzt versuchte unser Ranger uns zu erklären, dass es sich um eine tödliche Giftschlange handelt, die da am Pistenrand die warmen Steine zum Wärme tanken nutzte. Aber Petra erklärte ihm, dass ich das wüsste und wir schließlich wegen dieser Tiere hier in Kenya seien.

Kopfschüttelnd erklärte mir David, unser Begleiter, dass kein normaler Mensch Schlangen mag und ich ihn nicht noch einmal so erschrecken solle. Weitere Auswüchse meiner Neugier blieben David erspart und so erreichten wir gegen 20.00 Uhr die Ngulia Lodge, an der wir uns von unserem Ranger trennten.

Obwohl wir uns vorgenommen hatten, die Zivilisation zu meiden, entschlossen wir uns, hier in der Lodge zu Abend zu essen und in dieser Zeit die drei Videoakkus zu laden. Außerdem genossen wir die Aussicht auf die beleuchtete Wasserstelle, an der sich einige Impalas tummelten. Interessanter aber als das Wild schienen im Moment wir zu sein. Für die meisten anderen Safarigäste jedenfalls. Am Abend des 4. Tages unserer Safari überzog uns schon eine gehörige rote Staubschicht, an unseren Hüften baumelten Buschmesser und Petras schweren Safaristiefel hoben sich auch etwas von den Pumps der anderen anwesenden Damen ab. Und so starrte man uns doch ein wenig an, als wir zum Dinner Platz nahmen. Wir fühlten uns als Exoten und waren stolz darauf, gleichzeitig freuten wir uns darauf, bald wieder alleine im Busch zu sein.

So schnell wie gedacht wurde aber nichts daraus. Nach dem Dinner war erst einer der Akkus geladen. Also zog Petra sich zum Schlafen in den Suzuki zurück und ich entschloss mich, die Nacht auf der Terrasse mit Blick auf das Wasserloch zu verbringen.

Die nächtliche Beobachtung hatte außer kalten Füßen und voller Videoakkus keine Erfolge zu verzeichnen. Mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen brachen wir wieder auf. Unser Ziel: Mzuma Springs. Unterwegs entdeckten wir eine Löwin, auch sie genoss die erste Tagessonne und lag auf einem großen Felsen.

Mzuma Springs, eine Quelle speist hier einen glasklaren See, in dem sich Flusspferde und Krokodile aufhalten. Aus einem Unterwasserstand lassen sich mit etwas Glück Flusspferde unter Wasser beobachten, wie sie wie in Zeitlupe auf dem Grund umher laufen, umgeben von unzähligen Barschen und anderen Fischen. Hier ist auch eine der wenigen Stellen, an denen man das Fahrzeug offiziell verlassen darf. Natürlich ist dieser See einer der Höhepunkte eines Besuches des Tsavo West Parks, dementsprechend viele Safaribusse hielten sich dort auch auf. Aber wir hatten ja Zeit (Zeit ist das Wichtigste in Afrika) und so warteten wir fast 3 Stunden, bis wir Mzuma Springs ganz für uns alleine hatten, ehe wir filmten und fotografierten. Unser Warten wurde belohnt. Als es wieder ruhiger am See wurde, krochen mehrere kleine Krokodile zum Sonnen aus dem Wasser. Wir entdeckten eine Sumpfschildkröte, beobachteten die Hippos unter Wasser und verteidigten unsere Kekse gegen eine Gruppe von Meerkatzen.

Von Mzuma Springs fuhren wir in Richtung Kilanguni Lodge. An der Kilanguni Lodge fragten wir nach Mr. Bill Woodley. Er musste zu dieser Zeit der Chefwildhüter sein, und wir hatten von einem Freund den Tipp bekommen, mit einer Flasche Whiskey unter dem Arm und schönen Grüßen von ihm, herzlich aufgenommen zu werden.
Der Zufall wollte es, dass gerade einer von Bills Mitarbeitern und Fahrern an der Lodge war. Dieser war sofort bereit, uns den Weg zu Woodleys Haus zu zeigen. Er würde einfach vorfahren (gute Idee!). Bis zu diesem Moment waren wir meist mit 20 bis maximal 40 km/h durch den Park gerollt, nun ging es auf einmal mit gut 80 bis 110 km/h durch den Tsavo. In einer dichten Staubwolke folgte ich dem Land Rover in einer wilden Fahrt, bei der ich zugegebener Weise viel Spaß hatte. Die Schatten von Zebras huschten an uns vorbei, Antilopen sprangen aus dem Weg. Nur einmal stoppte der Rover vor uns und ließ eine Herde Elefanten passieren.

An Woodleys Haus angekommen, verabschiedete sich Williamson (so hieß der Fahrer) überschwänglich und breit grinsend von uns, bemerkte, dass ich gut gefahren bin und verschwand dann wieder mit dem Land Rover im Busch (neidisch schaute ich dem Land Rover hinterher, so ein Auto müsste man haben!)

Da standen wir nun. Vor uns ein Haus aus roten Ziegelsteinen, eine breite Terrasse, hinter dem Haus eine Wasserstelle. Warzenschweine grasten in der Nähe, etwas weiter abseits beäugte uns ein Strauss. "Daktari live" waren meine Gedanken. Wenig später erschien Bill Woodley, zuerst etwas verwundert über den unerwarteten Besuch, dann aber doch erfreut und nicht zuletzt wegen des mitgebrachten Whiskey waren wir herzlich willkommen. Ungewohnt für uns war, dass sofort fest stand, dass wir natürlich hier auch über Nacht blieben. (aber so oft bekommt man wohl in der Wildnis keinen Besuch)

Bill und ich saßen draußen auf der Terrasse und tranken Whiskey (viel zuviel, aus viel zu großen Gläsern), als eine Büffelherde an der Wasserstelle erschien. Nur 10 Meter vom Haus entfernt standen einige hundert Kaffernbüffel, die Herde wuchs im Laufe des Abends auf mehr als 1000 Tiere an, überall war das Stampfen und Schmatzen der Büffel zu hören.
Als die Sonne verschwunden war, zogen auch wir uns in das Haus zurück und Bill und Rose (Mrs. Woodley) erzählten von Erlebnissen mit wilden Tieren. Rose berichtete von Elefanten, die sie mit dem Besen durch das Küchenfenster von der Terrasse schubsen musste oder Leoparden, die die Perlhühner gefressen hatten. Bill erzählte von der Jagd auf Wilderer und wie gefährlich es im Moment sei, alleine durch den Tsavo zu fahren (na prima)
Was wir an diesem Abend hörten und erlebten, erweckte alle versteckten Kindheitsräume zum Leben. Vor uns auf dem Tisch stand eine Schale mit Straußeneiern, an den Wänden hingen alte Schwarzweißbilder von Elefanten und Löwen. Wir waren nicht mehr irgendwelche Touristen in Afrika auf irgendeiner Safari. Wir waren mittendrin, live dabei. Wir unterhielten uns über Großwild, bekamen Verhaltenstipps und Vorschläge für Routen. Und das Beste, wir konnten duschen und noch besser, wir bekamen am nächsten Morgen ein Frühstück, unser erstes seit 5 Tagen. Spiegeleier, Omelett, Speck, Toast und gebackene Bohnen in Tomatensoße, dazu Kaffee und Tee.

Als wir Woodleys verließen, versprachen wir wiederzukommen und in Kontakt zu bleiben. (Damals konnte noch niemand ahnen, wie sehr dieser Besuch unsere weiteren Reisen beeinflussen wird)

Eigentlich hatten wir erwartet, vertrocknete staubige Landschaft in Afrika vorzufinden. Inzwischen hatten wir gelernt, dass es an der Küste immer feucht-warm ist und immer sattgrün und Regen- und Trockenzeit nur im Landesinneren deutlich sichtbar sind. Aber auch hier im Tsavo war die Landschaft im Moment von grünem Busch geprägt. Eine solche Landschaft wollten wir eigentlich in den Chyulu Hills erleben. Nun wo die Regenzeit (Ende März bis Ende April) so deutliche Spuren hinterlassen, hatte verzichteten wir auf die Chyulus, es war ja überall grün.

Im Schritttempo durchkreuzten wir den Park, erfreuten uns an Pillendrehern und Elefanten gleichermaßen, besuchten noch einmal Mzuma Springs und nahmen uns vor, die Nacht in den Ngulia Bandas zu verbringen. Unterwegs ein Serval, zu schnell, um ihn zu fotografieren.
Dann kam die Dämmerung, irgendwie schneller als erwartet. Es wurde dunkel, wir erwischten die falsche Piste. Etwas orientierungslos holperten wir durch die Ngulias, es wurde immer schwieriger, die Piste auszumachen. Plötzlich leuchteten ca. 50 Meter vor dem Suzuki zwei Augen, ein Leopard. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, mein erster Leopard. Als schien es uns nicht zu geben, kam er auf uns zu. Ich filmte im Scheinwerferlicht des Autos so lange, bis ich die Katze nur noch verschwommen sah. Wo war er? "Der Leopard steht vor dir", zischte Petra, "bitte mach das Dach zu!" In der Aufregung hatte ich vergessen, dass das Faltdach des Suzukis noch offen war. Wir hatten die Plane immer nur nach hinten geschlagen und dort mit Isolierband befestigt. Aber ich war mir sicher, dass der gefleckte Jäger nicht auf das Auto springen würde. Als die Katze nun aber ihre feuchte Nase gegen mein Seitenfenster drückte, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich schon alle Verhaltensregeln über Wildtiere wusste und gab Gas. Aufgeschreckt verschwand der Leopard im Dunkel der Nacht.

Wenig später entdeckte Petra auf der Piste einen kriechenden Haufen, der sich dann als Stachelschwein entpuppte. Nun wollten wir aber wirklich langsam eine Unterkunft erreichen, es war stockdunkel. Endlich ein Hinweis auf das Ngulia Camp. Wir quälten uns mit dem Suzuki die schlechte Piste hinauf. Oben ein überwuchertes Schild "Rezeption", ein Banda ohne Dach, einer ohne Scheiben. Fehlanzeige, kein Mensch weit und breit. Aufgrund der Leopardenbegegnung verzichteten wir auf eine Übernachtung im Zelt. Wir fuhren weiter zur Ngulia Lodge und richteten uns auf eine erneute Nacht im Suzuki ein. Vorher spendierte ich Petra ein Dinner in der Lodge, die nächtliche Begegnung mit dem Leoparden hatte sie etwas aus der Fassung gebracht. Die Gefühle, die aufkommen, wenn man Wild ganz alleine aufgespürt hat und ihm dann auch noch Auge in Auge gegenübersteht (wenn auch getrennt durch eine Autoscheibe), sind nicht zu beschreiben.

Wieder laden wir nebenbei die Videoakkus, wieder schläft Petra im Auto und ich bleibe auf der Terrasse. Meine Ausdauer wird belohnt, gegen 1.00 Uhr in der Nacht kommt eine Hyäne an die Wasserstelle.

Morgens betankten wir unser Auto mit unserem Reserve-Benzin, fuhren danach ergebnislos durch das Rhino Sanctuary, um Nashörner aufzuspüren, verfuhren uns wieder so, dass wir unseren Kompass bemühen mussten (gute Ausrüstung!), stöberten noch zweimal Steppenwarane auf und entdeckten an einer kleinen Brücke über dem Tsavo River Nilwarane und zwei Sumpfschildkröten. Danach verließen wir den Tsavo West. An der Hauptsraße erstanden wir an einer Tankstelle 4 Tomaten-Sandwich, die wir gegen einen gefräßigen Pavian (der sich für einen Tankwart hielt) verteidigen mussten. Benzin gab es keines.

Am Manyani Gate fuhren wir wieder in den Tsavo Ost. Wenig später befanden wir uns mitten in einer Herde von mindestens 500 Zebras, dazwischen mehr als 50 Giraffen, einige Wasserböcke und Impalas. Ein atemberaubender Anblick. Die Herde flüchtet im Galopp, wir sind mitten drin. Zebras wechseln vor unserem Suzuki, schlagen nach dem Fahrzeug aus, Giraffen galoppieren unmittelbar neben uns mit wiegendem Hals, Staub hüllt uns ein.

Mit dem letzten Tropfen Benzin erreichten wir die Voi Lodge. Da wir auf den Tankwart warten mussten (und warten bedeutet in Afrika wirklich warten), genossen wir die Aussicht von der Lodge. 5 Wasserstellen kann man von hier oben sehen, die Sicht ist endlos.

Gegen 17.00 Uhr bekamen wir doch tatsächlich das für 16:00 Uhr versprochene Benzin, tankten voll und fuhren in Richtung Aruba Dam. Kurz hinter der Lodge entdeckten wir 7 Löwen. Wir blieben stehen und beobachteten sie. Wenig später versperrten ca. 500 Büffel die Piste. In respektvollem Abstand warteten wir darauf, dass die Tiere sich weiterbewegen würden, aber die Herde graste friedlich rechts und links von der Piste und dachte gar nicht daran, den Weg freizugeben. Kaffernbüffel, so war ich mir sicher, sind neben Flusspferden die gefährlichsten Tiere in Afrika. Ich hielt sie für unberechenbar und traute mich nicht weiterzufahren. Mehr als eine dreiviertel Stunde warteten wir, dann kamen aus der entgegenkommenden Richtung zwei Safaribusse. Tagelang waren wir froh gewesen, wenn wir keine anderen Fahrzeuge zu sehen bekamen, aber jetzt waren sie sehr willkommen. Die Busse tasteten sich vorsichtig durch die Büffelherde, die sich langsam teilte. Auch ich fuhr langsam los und durchquerte die Herde. (Wieder etwas gelernt, selbst Büffel gehen aus dem Wege, wenn man sie nicht angreift!)

7 Löwen, 500 Büffel, solche Beobachtungen halten einen natürlich auf und wie fast jeden Tag schafften wir die vorgenommene Strecke nicht bei Tageslicht. Als wir uns in der Dunkelheit dem Aruba Damm näherten, entdeckten wir vor uns im Scheinwerferlicht noch einmal zwei Löwenweibchen. Die Beiden ließen sich nicht stören und trotten zielstrebig vor dem Auto her. Sicher waren sie zur nächtlichen Jagd unterwegs.

Die Nacht verbrachten wir am Aruba Damm und brachen von dort am nächsten Morgen zum Galana River auf. Der Galana bzw. Sabaki teilt den Tsavo Ost in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Nur der südliche Teil ist für den Tourismus freigegeben, im nördlichen Teil fehlt es an jeglicher Infrastruktur. Außerdem wird in diesem Gebiet noch hart gegen Wilderer, oft mit Waffengewalt gekämpft, hatte ich von Bill Woodley erfahren.

Aufgrund des hohen dichten Busches ist die Wildbeobachtung nicht leicht und so freuten wir uns über jedes Stück Wild, welches wir im Dickicht ausmachten. Unser erstes Ziel am Galana war der Lugard Fall, ein kleiner Wasserfall bzw. eine Stromschnelle. Auf einer großen Lavaplatte, die hier vor Millionen Jahren geflossen sein musste, machten wir eine Mittagspause. Wir entfachten an dieser sehr übersichtlichen Stelle ein kleines Feuer direkt neben dem Auto und kochten unsere obligatorischen Bohnen in Tomatensoße. Danach wusch ich das Geschirr im River ab und konnte nicht widerstehen, auch einmal in den Stromschnellen abzutauchen. (Da ich inzwischen weiß, dass Krokodile auch Stromschnellen überwinden, bedarf es an dieser Stelle keines weiteren Kommentars!!)

Vom Lugard Falls ging es weiter in Richtung Crocodil Camp. Unser nächstes Ziel war der Crocodil Point, eine Sandbank im River, auf der sich viele große Nilkrokodile aufhalten sollten. Crocodil Point enttäuschte uns nicht, mindestens 20 Krokodile lagen im und am Fluss oder auf der Sandbank. Krokodile in freier Wildbahn, ähnlich wie vor einigen Tagen, als wir den Steppenwaran entdeckt hatten, so erwachte auch jetzt wieder mein Jagdtrieb nach guten Bildern. Meine Klettertour hinunter zum Flusslauf kommentierte Petra mit den Worten: "...lass bitte den Autoschlüssel hier!" (Fressen Krokodile auch Autoschlüssel?) Das kleine Abenteuer wurde mit herrlichen Krokodil-Aufnahmen belohnt, ich war zufrieden.

Zwar hatten nicht alle Übernachtungen so stattgefunden, wie wir es geplant hatten, aber im Grossen und Ganzen war die Safari nach Plan verlaufen. Wir hatten viel Wild inkl. Elefanten, Büffeln, Flusspferden, Löwen und Leoparden sowie Waranen und Krokodilen gesehen, hatten interessante Menschen kennen gelernt und hatten die große Freiheit und die Weite des Landes genossen. Zufrieden über das Erreichte fuhren wir in Richtung Crocodil Camp, hier sollte eine letzte Übernachtung stattfinden, bevor wir wieder zurück zur Küste wollten. Aber Afrika ist immer für Überraschungen gut. Als wir an einen der Seitenarme des Galana kamen, lag die Brücke völlig zerstört vor uns. Zwar führte der Fluss kein Wasser, aber das Ufer war steil. Da umkehren einen nicht mehr einholbaren Zeitverlust bedeutet hätte, fuhren wir querfeldein am Ufer entlang, bis wir eine Stelle fanden, die wir für passierbar hielten, suchten dann auf der anderen Seite die Piste wieder und freuten uns, nach ca. 2 Kilometern vor demselben Problem zu stehen. Auf diese Weise konnte der Suzuki noch einmal beweisen, wozu er fähig war, wenn er sich in der Geländeuntersetzung mit Allrad das Ufer hinauf quälte.

Wieder erreichten wir unseren vorgesehenen Lagerplatz erst in der Dunkelheit. Wir saßen ein letztes Mal am Lagerfeuer und lauschten in die afrikanische Nacht. Das Schwerste an dieser Safari war, dass wir unsere erst 2-jährige Tochter nicht bei uns hatten (Kinder unter 2 Jahren sollten keine Malaria- Prophylaxe einnehmen). Aber an diesem Abend im afrikanischen Busch beschlossen wir, dass, was wir erlebt haben, das muss Jenny auch erleben, das muss Jenny auch kennen lernen.

Noch in der Nacht fuhren wir zurück zur Küste, die uns mit Regen empfing. Es folgten noch 7 weitere sonnige Tage, an denen wir immer wieder James Ashe besuchten, Mombasa besichtigten, im Indischen Ozean schnorchelten und badeten, mit einer Dhau (Segelschiff) durch die Mangroven fuhren, die Umgebung erkundeten oder einfach nur relaxten. Auch einen Tauchgang im Watamu Marine Nationalpark unternahm ich. Aber alles verblasste neben den Erlebnissen unserer Safari.

Afrika und seine Tierwelt hatte mich in seinen Bann gezogen.

kwaheri Kenya, tutaonana (Auf Wiedersehen Kenya, wir werden uns wiedersehen)

und dann mit Jenny!