Große und kleine Hornträger
Wie am Vorabend beschlossen, packten wir am nächsten Morgen unsere Sachen zusammen, genossen noch einmal beim Tee die Aussicht
auf den Lake Baringo und dann schlich ich ein vorerst letzes Mal am Seeufer entlang um nach Waranen und Krokodilen zu suchen.
Nach der kleinen Exkursion verabschiedeten wir uns dann von James und seinem Team. Beim Verlassen des Seeufers fragten wir uns,
wie der Platz wohl bei unserem nächsten Besuch aussehen würde und ob das Camp einen weiteren Wasseranstieg überstehen kann.

Abschied im Roberts Camp, Lake Baringo

Zunächst fuhren wir die Strecke zurück bis Nakuru, von Nakuru ging es dann in Richtung Hochland und Nyahururu, wo wir am
späten Vormittag ankamen. Unterwegs musste ich mir von Petra meinen beim Gepäckverladen angeschlagenen Kopf verarzten lassen
und anhören,das ich statt Hut vielleicht lieber einen Helm tragen sollte.
Da wir am Lake Baringo auf ein Frühstück verzichtet hatten, gönnten wir uns ein leichtes Lunch an
den Thomson Falls. Im Garten der gleichnamige alten, nostalgischen Lodge freuten wir uns über frische Meat Samosas und ein
kühles Tusker.
Der grüne Garten, mit Blick auf den Wasserfall wurde von alten knorrigen Afrikanischen Olivenbäumen dominiert, auf denen wilde
Orchideen und andere Epiphyten wuchern.
Neben der Pflanzenvielfalt gab es verschiedene Vögel, aber auch Helmchamäleons zu entdecken.


Thomson Falls Lodge, Nyahururu


Nachdem wir uns mit einer viel zu großen Portion Samosas gestärkt hatten fuhren wir weiter. Noch hatten wir kein genaues Ziel
und wollten nach einer einfachen Bleibe auf dem Weg nach Sandai Ausschau halten. Der Tag hatte zwar sehr sonnig begonnen, doch
je weiter wir in Richtung der Aberdares vordrangen, je wolkiger wurde der Himmel und hin und wieder regnete es sogar ein wenig.
"Weißt du was, lass uns einfach heute schon nach Sandai fahren, irgendwo wird Petra schon ein Bett für uns frei haben!" schlug
ich vor, als es wieder einmal Regentropen auf die Frontscheibe prasselten.
"Es sei denn, wir finden noch etwas uriges!" ergänzte ich, als ich das Hinweisschild zum Tafari Castl sah und abrupt abbog.
"Was kommt jetzt?" fragte Petra.
"Keine Ahnung, werden wir gleich sehen!" antwortete ich und fuhr eine kleine, eher steile Piste in Richtung der Ausschilderung.
Vorbei an Farmland und Weiden, bis vor ein großes vielversprechendes Tor.
Mein Hirn ratterte, wieso hatten wir noch nie von einem Schloss oder einer Burg in dieser Ecke Kenyas gehört? Oder hatte ich
etwa doch schon mal etwas von einer alten Festung hier gehört?
"Hör auf dir das Hirn zu zermartern, du wirst es doch gleich sehen!" ermahnte Petra mich, als wir einen Torbogen durchfuhren.
"Ach nö! Das ist ja schlimmer als Disneyland! Ich dreh wieder um!" rief ich, als wir das Tor passiert hatten.
"Tust du nicht! Jetzt will ich es auch richtig sehen!" rief Petra energisch.
Vor uns tauchte eine kleine Schloss- oder Burgartige Festung auf, die auf den ersten Blick tatsächlich altertümlich aussah.
Aber auf den zweiten, entscheidenden Blick erkannte man ein großes Plastikpferd vor dem Schlosseingang und etwas weiter weg
einen kunterbunten Spielplatz und verschiedene Hinweisschilder zu kleineren Gebäuden.
"Du kannst jetzt nicht einfach drehen!" erklärte Petra, als aus dem vermeintlichen Schloss zwei perfekt gekleidete Pagen mit
Regenschirmen erschienen um uns in das Gebäude zu begleiten. Etwas widerwillig stieg ich aus und kaum hatten wir die Treppen
des Schlosses erreicht, erschien der Hausherr und begrüßte uns freundlich. Hätte man auf den Plastikschnickschnack vor der
Tür und im Garten verzichtet, hätte ich bis zuletzt geglaubt einen Historischen Ort gefunden zu haben. Denn auch bei der
Innenausstattung und Einrichtung hatte man keine Kosten und Mühen gescheut den Eindruck eines alten britischen Schlosses zu
erwecken. Tatsächlich war das fünf Sterne Hotel aber erst 2012 fertig gestellt worden. Ganz sicher war der frei erfundene Bau,
ein Highlight für Kenyaner, die es sich leisten konnten. Meinen Geschmack traf es aber so absolut gar nicht und ich fühlte
mich etwas veralbert, weshalb wir auch recht schnell wieder von dem Anwesen verschwunden waren, obwohl man uns eine
Besichtigung angeboten hatte.
"Du bist langweilig!" musste ich mir von Petra anhören, als wir wieder im Auto saßen.
"Können wir uns auf wilde Tiere in Afrika und echte Schlösser in Europa einigen!" antwortete ich genervt, während wir zurück
zur Hauptstraße fuhren.


Kurze Zeit später passierten wir zum Glück die Zufahrt zur Solio Ranch und 15 Minuten später bogen wir auf die neugeschobene
und befestigte Zufahrtspiste zur Sandai Farm, wo wir von Tessa, Petras jüngster Tochter herzlich empfangen wurden.
"Weiß Mama dass ihr heute ankommt?" fragte sie uns etwas verwundert.
"Nö, nicht wirklich, eigentlich wollten wir erst morgen ankommen!" grinste ich,
"Ach, kein Problem. Heute sind eh keine Gäste da! Ich lass euch schnell ein Zimmer fertig machen" huschte Tessa erst einmal
davon. Der Himmel über Sandai war zu unserer Ankunft nicht wirklich freundlich und so wurde es an diesem Abend schnell dunkel.
Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, warteten wir auf der Terrasse hinter dem Haupthaus auf Petra und Tessa. Ich hatte vor
einigen Tagen noch mit Petra telefoniert und sie hatte mir erzählt, dass sie aktuell etwas angeschlagen war und sie sich eine
bakterielle Infektion zugezogen hatte. Aber als sie an diesem Abend dann untergehakt bei Tessa, im Garten auftauchte, waren
wir zunächst schon etwas erschrocken. Vom sprichwörtlichen Frauenpower und ihrer immer währenden optimistischen, Fröhlichkeit
war ihr nichts anzusehen und wir hatten ein wenig ein schlechtes Gewissen, dass wir an diesem eigentlich gästefreien Tag ohne
Anmeldung erschienen waren.
"Ach was, ihr seid ja nicht einfach nur Gäste, sondern meine Freunde!" baute Petra unser Gewissen wieder auf.
Trotzdem zogen Petra und ich uns nach dem gemeinsamen Abendessen in unser Zimmer zurück, um Tessa und ihrer Mutter die
verdiente Ruhe zu ermöglichen.
"Wir haben ja jetzt 5 Tage Zeit um zu quatschen!" verabschiedeten wir uns von den Beiden.
Natürlich ging ich nicht ins Bett, ohne vorher nach Chamäleons in den Büschen und Sträuchern am Haus zu suchen. Blieb aber an
diesem Abend erfolglos.

Insgesamt verbrachten wir nun 5 Nächte auf der Sandai Farm und erlebten so eine sehr intensive Zeit aus entspannt in den Tag
hinein Leben, zu Fuß und in Begleitung der Hunde die Landschaft erkunden und Wildbeobachtung. Zum einen gab es rund um die
Sandai Farm auf der benachbarten Sangala Wildfarm ungewöhnlich viel Wild zu sehen. Zum anderen war die ganz in der Nähe
liegende Solio Ransch ein Ziel unserer Exkursionen. Auf Solio unternahmen wir eine spannende Tagestour mit dem Land Cruiser um
dort Breit- und Spitzmaulnashörner zu beobachten. Der sonst allgegenwärtige Mt. Kenya zeigte sich an diesem Tag nur für wenige
Minuten, dafür hatten wir das Glückbeide Nashornartennicht nur anzutreffen, sondern auch zusammen beobachten zu können.
Das Highlight unserer Pirschfahrt waren allerdings nicht die Rhinozorosse,
sondern zwei wütende Kaffernbüffel die unvermittelt neben unserem Land Cruiser aufeinander los gingen und eine
Schabrakenschakal Familie. Auf die kleinen Räuber wurden wir Aufmerksam, nachdem wir den Warnruf eines Impalas
gehört hatten. Wenige Minuten später entdeckten wir den Clan an einem frisch erbeuteten Impala Kitz. Die kleine gierige Meute,
fraß in Wildhundmanier. Das Kitz wurde regelrecht auseinander gerissen und schnell verschlungen. Insgesamt 7 Schakale zogen
und zerrten an der Beute und waren am Fressen.
Die spannende Wildbeobachtung und der matschige, nach einem erneuten Regenguss aufgeweichte Boden auf Solio, hatten die
Exkursion zu einem echten kleinen Abenteuer gemacht!

Solio Ranch and Rhino Sanctuary


















Die Tage auf Sandai waren also alles andere als langweilig. Da ich auch gleich am zweiten Tag das erhoffte Jackson Chamäleon
fand und dann für zwei weitere Tage im Auge behalten konnte, kam ich auch in dieser Hinsicht voll auf meine Kosten. Das wir in
zwei von fünf Nächten sogar dem Gebrüll einiger Löwen lauschen durften, war dann das I - Tüpfelchen unserer Zeit auf Sandai.
"Die Löwen sind vor kurzem aus Solio herüber gekommen und halten sich seitdem auf Sangare auf. Schön sie zu hören, aber
seitdem dürfen wir nicht mehr mit unseren Pferden rüber auf die Farm!" hatte Petra uns am zweiten Abend erklärt.
Die Abende waren wie immer der Zeitpunkt wo alle auf der Farm zusammen kamen, Gäste sowie Gastgeber. Man tauschte sich über
Tagesgeschehnisse und Safarierlebnisse aus während man einen eisgekühlten Sundowner und kleine Snacks genoss . Dabei waren die
familiären Abende am Kaminfeuer genauso gemütlich, wie die Abende mit neuen und interessanten Gästen. Immer war es eine
lockere und entspannte Atmosphäre, wie in einer großen Familie.
Da die nach uns, neu angekommenen Gäste alle volle Tagesprogramme hatten, hatten wir das Gefühl Sandai tagsüber für uns ganz
alleine zu haben und genossen diese Freiheit mit ausgedehnten Spaziergängen auf der Farm, immer begleitet von Petras Hunden.
Was die Wildbeobachtung nicht unbedingt einfacher machte, aber ein gutes und sicheres Gefühl vermittelte. Denn die Begegnungen
mit Großwild der Kategorie Big Five sind auf Sandai durchaus möglich. Bei unseren ersten Besuchen hatten wir einmal das Glück
flüchtig einen Leoparden zu sehen, irgendwann bin ich mal zu Fuß einigen Kaffernbüffeln begegnet, im letzten Jahr waren es
vereinzelte Elefanten die zum Trinken auf die Farm kamen und nun brüllten die Löwen in der Nachbarschaft. Vielleicht verirrte
sich ja auch irgend wann mal ein Nashorn bis an den Zaun oder auf die Farm...wer weiß? Afrika ist noch immer voller
Überraschungen.

Sandai Farm
















Aber Sandai hat natürlich noch viel mehr zu bieten als Natur und wilde Tiere. Zum einen sind da neben den Hunden noch einige
Reitpferde, Esel, Gänse und Kühe und zum anderen betreibt Petra eine eigene, kleine Weberei in der die selbst gesponnene Wolle
zu Kleidung, Teppichen und anderen nützlichen Dingen verarbeitet wird. Die Wolle kommt von den kleinen Shambas (Farmen) der
Einheimischen in der Umgebung und in der neu eingerichteten Weberei sind eine Handvoll neuer Arbeitsplätze für Kenyaner aus
der Nachbarschaft entstanden. (Als wir Sandai Ende Februar verließen, ahnten wir nicht
im Entferntesten, wie wichtig diese kleine Weberei nun für das Überleben der Farm, ihrer Angestellten und auch Petra, Tessa
und den Rest der Familie werden sollte)


https://sandaiweavers.co.ke/



Nachdem wir am letzten Abend den Sundowner, unten auf dem Steinplateau, mit Blick auf den schneebedeckten Mount Kenya erleben
durften, mussten wir uns am nächsten Mittag schweren Herzens von Petra und Tessa verabschieden. Unsere sechswöchige Safari in
Kenya ging zu ende und wir mussten zurück nach Nairobi wo wir eine letzte Nacht bei Freunden verbrachten, ehe wir in eine
ungewisse Zeit nach Deutschland zurück flogen. Aber so richtig wussten wir Anfang März 2020 noch nicht wirklich was uns
erwartete und was auf uns zukommen sollte.
Sicher ist nur, wann immer es auch so weit sein sollte, es wird "eine erste Safari nach Corona" geben! Aktuell ist sie noch
für Ende Oktober geplant und die Flüge sind gebucht!
Wir sind optimistisch, denn: Die Hoffnung stirbt zuletzt!

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