Ein Reisebericht von:
Safari in Kenya

Text Jörg Reinecke; Fotos Jörg und Petra Reinecke (digital)
Elefanten Waisen bei Daphne Sheldrick

Big Game am Talek River
- Safari im September/Oktober 2010; Teil 2 -


Zu Besuch bei Daphne Sheldrick
Bereits einen Tag vor dem Safaristart hatten wir die beiden großen 90 Liter Tanks des Landcruiser mit Diesel gefüllt, hatten Ersatzbolzen und Schrauben verstaut und unsere persönliche Safariausstattung gepackt, hatten noch einmal alle Akkus für die Fotoaperrate geladen und Stative und Bohnensäcke verstaut.

Der Landcruiser hatte sich in der einen Woche an der Küste bewährt und war zuverlässig gefahren und dennoch hatte ich ein merkwürdiges "Bauchgefühl", als wir nach einem kurzen Frühstück das Boko Boko verließen. Nach ca. einer Stunde hatten wir die wuselige immer lebhafte Hafenstadt Mombasa verlassen und fuhren auf der inzwischen gut ausgebauten Mainroad in Richtung Nairobi. Unser erstes Etappenziel sollte der Tsavo West National Park sein. Danach wollten wir über Nairobi und die Sandai Farm im Hochland bis in die Masai Mara fahren. Immer wieder ging ich im Kopf durch ob wir an alles gedacht hatten. Immer wieder hatte ich dieses merkwürdige "Bauchgefühl"! Petra sagte ich nichts, und so beobachteten wir beide die vorbeiziehende Landschaft, während ich den Landcruiser über die Mombasa - Nairobi Road steuerte.

Plötzlich und ohne Vorwarnung passierte es, der Landcruiser war nicht mehr unter Kontrolle! Der Wagen brach nach rechts aus. Ich versuchte noch entgegenzulenken, realisierte aber sofort, die Lenkung reagiert nicht! Ich bremste den Wagen noch einmal kurz an, wollte aber nicht riskieren, dass die Räder sich querstellen und wir uns überschlugen. Hilflos ließ ich das Lenkrad los und hielt mich am Haltegriff über der Tür fest. Der Landcruiser schoss mit ca. 70 km/h rechts von der Straße und steuerte geradewegs in den Tsavo Ost hinein. Eine kleine Senke nahm uns etwas Schwung und dann bremste ich das unkontrollierbare Fahrzeug ab. Etwa 50 Meter abseits der Straße kamen wir, ordentlich Staub aufwirbelnd, zwischen einigen Büschen zum stehen. Alles ging so schnell, das ich weder Zeit gefunden hatte mich zu erschrecken, geschweige denn irgendetwas zu sagen und so fragte Petra mich:
"Und was wollen wir hier?"
"Keine Ahnung Schatz, ich habe keine Kontrolle mehr über den Wagen, die Lenkung ist weg!"
"Wie weg?"
"Ganz weg!"
"Und nun?"
"End of safari, I don´t know?"
Wir beendeten unseren sinnlosen Wortwechsel und ich stieg aus dem Wagen um nach dem Lenkgestänge zu sehen. Befürchtet hatte ich das Schlimmste, gebrochene Lenkstange oder abgebrochenes Lenkgestänge. Als ich aber gleich mit dem ersten Blick sehen konnte, das wir "nur" eine Mutter verloren hatten und das das Lenkgestänge aus einer Halterung gerutscht war, beruhigte ich Petra oder eigentlich eher mich selber:
"geht gleich weiter, ist nur ne Mutter!"
In der Zwischenzeit hatten sich einige umherziehende Masai (was zur Hölle wollen die eigentlich im Tsavo) um das Auto versammelt, als unerwartet ein Landrover vom KWS mit einigen Rangern auftauchte. Vermutlich hatten sie gedacht, ich wollte illegal in den Tsavo einfahren. Als sie mich unter dem Auto liegen sahen, fragten sie allerdings gleich:
"Any problem, Sir?"
"hakuna stearing!" entgegnete ich und suchte eine passende Mutter in meiner Box um das Gestänge zu fixieren..
Nachdem wir verschiedene Muttern ausprobiert hatten fanden wir eine passende und ich (Betonung liegt auf ich) reparierte die Lenkung notdürftig.

KAD 643 G Jörg Reinecke

Da die Ranger auch bis nach Voi wollten, bat ich sie langsam hinter uns her zu fahren, bis wir eine Werkstatt in Voi erreichen würden.

Erst als wir wieder im Fahrzeug saßen und unsere Fahrt langsam fortsetzten ging uns durch den Kopf was eigentlich passiert war und vor allem was hätte passieren können. Gegenverkehr, ein überholender Bus oder die gleiche Situation im Rift Valley hätten vermutlich bedeutet, dass es nie wieder einen Reisebericht von uns gegeben hätte.

"Du hast gar nichts gesagt!" fing Petra nach einige Zeit wieder an
"Ich hatte gar keine Zeit etwas zu sagen, als ich wieder sprechen konnte, standen wir schon halb im Tsavo!"
"Wer hat das jetzt repariert?" fragte Petra weiter,
"Ich!"
"Und das hält trotzdem?"
"Bis Voi hoffe ich schon!" antwortete ich zuversichtlich und stolz, selber eine passende Mutter dabei gehabt zu haben.
Bis zur Werkstatt sinnierten wir weiter, was alles hätte passieren können und ich erinnerte mich wieder an das schlechte Bauchgefühl, welches plötzlich verschwunden war.

In Voi investierten wir 300,-Shilling in eine neue Mutter (original) und einen Drahtstift der die Mutter sicherte, und weitere 300,- Shilling, die ich den Rangern für ihre Begleitung in die Hand drückte.

"Und jetzt?" fragte Petra, als ich wieder einstieg
"Jetzt fahren wir in den Tsavo!" antwortete ich
"Aber durch das Gate nicht durch den Bush!" fügte ich an.

In Voi besorgten wir uns die Smart Card für den Tsavo West und fuhren dann zurück bis zur Hauptstraße, überquerten diese und fuhren auf sehr schlechter Straße weiter in Richtung Taveta (Tansania) bis wir schließlich das Maktau Gate erreichten. Die extrem schlechte, alte Asphaltstraße zwang uns langsam zu fahren und einzig die Elefanten die wir im Taita Hills Sanctuary in der Ferne sahen entschädigten uns für die Wahl dieses Streckenabschnitts.

Am Maktau Gate angekommen, war zunächst kein Mensch in der Nähe zu sehen. Ärgerlich wollte ich schon wenden, als von der anderen Seite der Piste ein Ranger erschien.
"please come to the otherside!" erklärte er uns, das die Smart Card Abrechnung auf der anderen Seite an der Zufahrt zum südlichen Tsavo West geschehen müsste.

Wir hatten diese Route gewählt um sie für den Juli 2011 zu testen, dann wollten wir eigentlich mehrere Tage mit unseren Patenkindern im Tsavo West und Ost verbringen. Unterwegs erkannten wir aber, was Daphne Sheldrick uns später bestätigte, das Wild im Tsavo West macht sich in vielen Gebieten sehr rar, große Elefantenherden sieht man gar nicht oder sehr selten. Antilopen, Giraffen und Zebras trafen wir nur vereinzelt an, laut Daphne eine Folge der immer mehr zunehmenden Wilderei. Gleichzeitig waren einige der Pisten fast zugewachsen, oder durch Regenwasser fast weg- bzw. tief ausgespült. Wir kamen also nur langsam vorwärts, zumal nicht immer klar erkennbar war, was nun die Piste und was ein einfache Fahrspur war. Am Ende kamen wir zu dem Entschluss im nächsten Jahr eine andere Route zu wählen. Einzig die Einsamkeit entschädigte uns für die Wahl dieser Route. Andere Fahrzeuge begegneten uns erst nach 4 Stunden, als wir die Region um den Tsavo River erreicht hatten. Hier beobachteten wir dann allerdings auch wieder mehr Wild. Wir hatten sogar das Glück neben einigen Elefanten, Giraffen und Impalas, drei Geparden und wenig später einen Leoparden zu sehen. Unsere Kameras lagen zu dieser Zeit noch staubsicher in ihren Taschen und so genossen wir die Begegnungen ohne durch eine Linse zu sehen. (Auch mal schön!)
KAD 643 G


Nachdem ich auf meiner Safari im Februar kein Zimmer mehr in der Kilanguni Lodge bekommen hatten und wir eigentlich noch nie in der Lodge übernachtet hatten und vor allem, weil ich die nächtliche Aussicht auf die Wasserstelle genießen wollte, überredete ich Petra anstatt in den Kitani Bandas, in der sehr viel teureren Kilanguni Lodge zu schlafen.
"Schließlich müssen wir noch unseren zweiten Geburtstag feiern!" erinnerte ich an das ungewollte Fahrmanöver in den Tsavo Ost vor wenigen Stunden.

Als wir mit Einbruch der Dämmerung (der Leopard hatte uns etwas länger aufgehalten) den Parkhof der Kilanguni Lodge erreichten, standen schon einige Safaribusse auf dem Platz. Ich fragte an der Rezeption nach einem Zimmer und war fast erschrocken, als man mir tatsächlich eines anbot.
Während Petra draußen im Fahrzeug wartete, füllte ich die Anmeldekarte aus, und ging mit dem Schlüssel in der Hand zurück. Gefolgt von einem Roomboy erschien ich bei Petra. Auf dem Weg zum Fahrzeug begegneten mir eine ganze Menge Touristen verschiedenster Nationen, die lautstark von ihren Erlebnissen erzählten. Auch unser Landcruiser der direkt vor dem Lodgeeingang stand war von Menschen umringt.
"Willst du wirklich hier schlafen?" fragte Petra mich als ich das Fahrzeug erreicht hatte.
"Ne, nicht wirklich!" entgegnete ich, drehte mich um und brachte den Schlüssel der erstaunten Rezeptionistin zurück.
"Sorry, too many people!" lächelte ich sie an und ging. Mit einem erstaunten aber verständnisvollen Blick nahm sie mir den Schlüssel wieder ab.
"Doch Kitani Bandas?" fragte Petra nun,
"Oder Severin Camp?" antwortete ich und fuhr hinaus in den Bush.
Inzwischen war es 19.00 Uhr und die Sonne war untergegangen. Langsam fuhren wir durch die Dunkelheit und hatten die Hoffnung dem Leoparden ein weiteres Mal zu begegnen. Nach ca. 40 Minuten erreichten wir, ohne nennenswerte Wildbeobachtung, das Severin Camp, und freuten uns, ein freies Zelt im Camp beziehen zu können.

Obwohl wir erst an diesem Morgen gestartet waren, hatte der rote Staub des Tsavo mal wieder ganze Arbeit geleistet, nicht nur der Landcruiser war von einer feinen Staubschicht bezogen, auch wir stellten nach dem Duschen fest, dass unsere original Hautfarbe noch nicht dunkelrot war.

Genau wie die Kilanguni Lodge, war auch das Severin Camp gut besucht, dennoch bekamen wir einen der drei Tische außerhalb der Dinnerterrasse, welche einem ermöglichen dem Wild in Augenhöhe zu begegnen. Wir bestellten unser Lieblingsessen im Tsavo, den "Hot Stone", grillten uns einige Stücke Fleisch auf der heißen Steinplatte und warteten vergeblich auf vorbeiziehendes Wild. Sozusagen zum Nachtisch zeigte sich dann doch noch ein großer Giraffenbulle, als er mit langen Schritten in kurzer Entfernung vorbei zog.

Den Abend ließen wir auf unserer Terrasse vor dem Zelt ausklingen und ließen dabei noch einmal den ereignisreichen Tag an uns vorbeiziehen. Stießen mit einem Glas Gin Tonic auf den glücklichen Ausgang des Lenkausfalls an und zogen uns dann hinter die Moskitogaze unseres Zeltes zurück.

Das Licht im Camp war schon erloschen, und wir lagen noch nicht lange im Bett, als ich schmatzende Geräusche vernahm. Mit dem Handscheinwerfer leuchtete ich, in der Erwartung ein Flusspferd zu sehen, durch das Moskitonetz im Fenster. Erstaunt sah ich auf den Bauch einer Masai Giraffe. Das Tier stand direkt neben unserem Zelt und fraß an einer Akazie. Leise, sehr leise öffnete ich das Zelt und schlich auf die Terrasse, der riesige Körper der Giraffe war zum greifen nah. Völlig ruhig und ohne sich stören zu lassen stolzierte die Masai Giraffe an mir vorüber um an einer anderen Akazie weiter zu fressen.
Ich liebe die Nächte in Afrika!

Jörg Reinecke

Masai Giraffe

Nachdem ich Petra geweckt hatte, zählte ich insgesamt 16 Giraffen, die im Camp verstreut standen und mit ihren langen Zungen an den Akazien zupften und die frischen Triebe abfraßen, auch einige Impalas und Zebras konnte ich in der Dunkelheit auszumachen. Irgendwann trieb mich die Kälte der afrikanischen Nacht zurück unter die wärmende Bettdecke im Zelt, von wo aus ich noch eine ganze Weile den Geräuschen der Giraffen lauschte, ehe ich einschlief.

Am nächsten Morgen fuhren wir gleich nach dem Frühstück in Richtung Mtito Andei und dann weiter nach Nairobi. Die Hauptstraße war inzwischen komplett ausgebaut und so erreichten wir gegen 15.00 Uhr den Stadtrand von Nairobi, ca. 30 Minuten später waren wir bei Daphne Sheldrick und wurden freudig begrüßt. Auch wenn es diesmal nicht so viele Paar Stiefel waren wie sonst, so wurden die nützlichen Schuhe begeistert in Empfang genommen und Daphne erklärte uns zum wiederholten Male, wie wichtig diese festen Stiefel speziell für ihre Antiwilderereinheiten sind. Aber auch die Keeper legen mit den verwaisten Elefanten und Nashornbabys etliche Kilometer im Bush zurück und freuten sich sichtlich über die guten Stiefel.

Elephant Keeper, Dame Daphne Sheldrick, Petra Reinecke
zu Besuch bei Dame Daphne Sheldrick und ihren Waisen Elefanten

Petra Reinecke and elephant orphans

Petra Reinecke and elephant orphans Petra Reinecke and elephant orphans

Jörg Reinecke and elephant orphans Jörg Reinecke and elephant orphans Jörg Reinecke and elephant orphans

Baby Elefant

David Sheldrick Wildlife Trust Jörg und Petra Reinecke, David Sheldrick Wildlife Trust

David Sheldrick Wildlife Trust David Sheldrick Wildlife Trust

David Sheldrick Wildlife Trust


Wie schon so oft, durften wir nach der Übergabe der Stiefel, die kleinen Elefanten im Bush des Nairobi National Parks besuchen. Ein Keeper begleitete uns zu der Gruppe, die irgendwo abseits der offiziellen Routen ungestört im Bush graste und spielte. Nach ca. 30 Minuten Fußmarsch hatten wir die kleinen Jumbos und ihre Keeper erreicht und wurden übermütig und neugierig von dem einen oder anderen Tier mit dem Rüssel untersucht. Ein junger Bulle war besonders aktiv und hatte ganz offensichtlich Spaß daran seine Kräfte mit mir zu messen. Der kleine Kerl trieb mich vor sich her, hinderte mich am Fotografieren und drückte mich immer wieder mit der Stirn weg. Zwischendurch streckte er mir immer wieder den Rüssel entgegen, als wolle er sich erkundigen wie es mir ergangen sei und zum weiterspielen auffordern. Während ich meinen ganz persönlichen Spielkameraden gefunden hatte, stand Petra inmitten der Herde verwaister Elefanten und blies abwechselnd in die Rüssel der kleinen Elefanten. Mit dieser Atemprobe stellte sie sich sozusagen bei den Tembos vor.
Auf dem Rückweg zu Daphnes Haus begegneten wir noch dem kleinen Malim, einer Nashornfrühgeburt um dessen Leben Daphne, Tierärzte und die Keeper bei unserem Besuch noch kämpften.
David Sheldrick Wildlife Trust


Inzwischen haben wir aus Nairobi die Nachricht das Malim es nicht geschafft hat und friedlich eingeschlafen ist!

Als wir nach dem Besuch bei den Minijumbos mit Daphne auf der Terrasse saßen und uns über die Wildlife-Situation im Land berichten ließen, erschien das Spitzmaulnashorn Shida an der Wasserstelle vor dem Haus. Shida wurde wie viele andere Spitzmaulnashörner auch, von Daphne und ihren Leuten mit der Flasche aufgezogen, und lebt nun wieder in Freiheit im Nairobi Park. Dennoch zieht es der Nashornbulle vor, Nachts in das sicher Gatter am Haus zurück zu kehren, und so schlenderte er langsam, nur wenige Meter an mir vorbei, zum Gatter hinter Daphne Haus. Wenig später erfuhren wir von einer Löwin, die sich schon seit Tagen in der Nähe der Wasserstelle aufhalten sollte und die kurz nach 16.00 Uhr aus dem Bush hinter dem Haus gekommen war um danach im Park zu verschwinden. Kurz nach 16.00 Uhr ging es mir durch den Kopf? Zu der Zeit waren wir durch den Bush hinter dem Haus gegangen. Demnach hatten wir die große Katze wohl aus dem Busch vertrieben. Besser so, als andersherum dachte ich weiter, während Daphne mir ein zweites Tusker Bier anbot.

Petra Reinecke, Dame Daphne Sheldrick Black Rhino - Shida


Wir hätten uns am liebsten noch stundenlang mit Daphne unterhalten, allerdings wollten wir nicht zu spät an unserem Nachtquartier ankommen. Zwar hatten wir unsere Freunde schon informiert, dass es später wird, aber zu spät wollte ich auch nicht quer durch Nairobi fahren.
Als wir uns bei Daphne verabschiedeten, hatten wir wieder das schöne Gefühl, das sowohl Geld- als auch Sachspenden hier bei ihr in guten Händen sind und wir wieder einen kleinen Beitrag zum Wildschutz geleistet hatten.
David Sheldrick Wildlife Trust
David Sheldrick Wildlife Trust


Safari September 2010 Teil III, Farmland, Erlebnisse auf Sandai, Solio und Ol Pejeta - (hier gehts weiter)